Freitag, 28. August 2009

My big fat Greek project meeting

Hellas! An dieser Stelle möchte ich allen Vegetariern, die sich derzeit in Griechenland aufhalten, mein tiefstes Mitgefühl aussprechen. Und entschuldigt, daß das Thema schon wieder aufgewärmt wird, wo es doch im vorletzten Beitrag eigentlich schon gegessen war...

Das griechische Wort für Vegetarier (χορτοφάγοσ) bedeutet soviel wie "Grünfresser", wobei "grün" auch mit "Gras", "Unkraut", "Gemüse" und "Rasen" übersetzt werden kann. Wenn man in einem Land noch weniger Verständnis für das ich-esse-keine-toten-Tiere-Konzept hat als in Spanien, dann definitiv dort. Eine Mahlzeit ohne Fleisch oder Fisch macht prinzipiell nicht satt und kann somit nicht als Mahlzeit gezählt werden.
Überhaupt unterscheiden sich
Griechenland und Spanien wenig - die Sprache klingt ähnlich (und verwirrt mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich überzeugt bin, irgendetwas verstehen zu müssen), die Lautstärke ist vergleichbar, die Fußballbegeisterung ebenso grenzenlos, die Kinder wohnen bis zur Hochzeit bei Mama und lassen sich verwöhnen (und Mama ist stinkbeleidigt, wenn sie das dann nicht mehr darf), das Leben spielt sich hauptsächlich im Freien ab - außer während der Mittagsschlafzeit - jeden Sommer gibt es ein paar größere Waldbrände, und sogar das Englisch hat denselben Akzent. Soweit mein erster spontaner Eindruck nach fünf viel zu kurzen Tagen in Thessaloniki auf einem Arbeitsgruppentreffen meines EU-finanzierten Drittmittelprojekts.

Aber zurück zum Essen. Es ist ja gar nicht so, daß es in Griechenland kein vegetarisches Essen gibt, ganz im Gegenteil. Es gibt so viele köstliche fleisch- und fischlose Gerichte, daß mir jetzt noch das Wasser im Mund zusammenläuft und sich meine Hose merkwürdig eng anfühlt. Lediglich mit der Definition von "fleisch- und fischlos" gibt es hin und wieder Mißverständnisse, wie schon in einer sehr typischen Szene des (hinreißend komischen) Films "My big fat Greek wedding" erwähnt wurde: 
- "Aber, Tante Voula, Ian ist Vegetarier, er ißt kein Fleisch." - "Was, er ißt kein Fleisch? [entsetztes Schweigen im ganzen Raum] ... Na, kein Problem, dann mache ich halt Lamm."

Gleich nach unserer Ankunft im 5-Sterne Beach Ressort and Spa auf Chalkidiki (mit eigenem Jachthafen) gab es Mittagessen; das Menü war allerdings aufgrund der Finanzkrise auf drei Gänge reduziert worden.
Ja, auch die EU muß hin und wieder den Gürtel (ihrer Forscher) enger schnallen. Unsere griechische Koordinatorin hatte den zuständigen Oberkellner schon darauf hingewiesen, daß Wendy aus Maastricht eine Schweinefleischallergie habe, und es eine deutsche Vegetarierin unter den Teilnehmern gäbe. Kein Problem, antwortete der Kellner in makellosem Englisch, das Mittagessen sei ohnehin komplett vegetarisch. Überrascht von dieser Ankündigung (und zugegebenermaßen etwas skeptisch), erkundigte ich mich nach den Details. Als ersten Gang gäbe es einen Salat mit Hackfleischbällchen, danach ein Putensteak mit Gemüse, gefolgt von Nachtisch und Kaffee. Aha. Zögernd fragte ich nach einem Salat ohne Hackfleischbällchen und einem Gemüseteller ohne Pute. Auf das entsetzte Gesicht des Kellners hin, räumte ich ein, er könne die Pute auch einfach durch z.B. Kartoffeln mit Sauce ersetzen lassen. Gesagt, getan, und alles bestens.

Als Wendy und ich später in T-Shirt, kurzer Hose und Flip-Flops zum Abendessen erschienen (Wendys Doktorvater wurde im gleichen Outfit übrigens kurzerhand zum Umziehen auf sein Zimmer geschickt und erschien kurze Zeit später wieder mit Anzug und Krawatte), kündigte unser Lieblingskellner freudestrahlend an, auch das Abendessen sei komplett vegetarisch: Es gäbe einen Salat mit Meeresfrüchten, danach Fisch und, wie immer, Nachtisch und Kaffee. Meinen sprachlosen Blick erwiderte er mit: "Fisch essen Sie doch, oder? Fisch ist kein Fleisch. Fisch ist komplett vegetarisch. Alle Vegetarier essen Fisch." Ich gab auf, nickte und aß Fisch. Er schmeckte ziemlich fischig. Nichts, was man mit einer entsprechenden Menge an hervorragendem griechischen Wein nicht geschmacklich überdecken kann. Die drei Riesengarnelen des Salats wurden allerdings geschält und meistbietend am Tisch versteigert.
Am nächsten Tag beim Mittagessen - selbstverständlich ebenfalls komplett vegetarisch - wurde ich schon gar nicht mehr gefragt, ob ich Lachs esse oder nicht. Bis auf den bereits erwähnten Fischgeschmack war er recht lecker. Unsere griechische Koordinatorin fragte mich stirnrunzelnd, seit wann ich denn Fisch äße - hm, seit gestern Abend? - und war nur mit viel Mühe davon abzuhalten, den Kellner auf griechisch und laut zur komplett vegetarischen Schnecke zu machen.

Abends nach unserer Rückkehr nach Thessaloniki habe ich mir dann erstmal ein ganzes Kilo komplett vegetarische Kirschen (wurmfrei!), einen komplett vegetarischen gerösteten Maiskolben mit Salz und eine komplett vegetarische griechische Nachspeise gegönnt. Und natürlich einen komplett vegetarischen griechischen eisgekühlten Frappé - den mit Abstand besten Kaffee der Welt.

Nächstes Wochenende werde ich übrigens auf einer spanischen Hochzeit ein ebenfalls komplett vegetarisches Menü essen - natürlich mit Fisch als zweitem Gang. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muß vorher noch schnell ein wenig Ouzo trinken, Sirtaki tanzen, ein komplett vegetarisches Menü in Form eines mit Hackfleischbällchen gefüllten Lamm-Cordon Bleus mit einem Putenbrustsalat und einem Krabben-Lachs-Cocktail verspeisen und ein Care-Paket mit ein paar Tofu-Eulen zu meinen Leidensgenossen nach Athen tragen.

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