Zu meinem letzten Geburtstag bekam ich ein ungewöhnliches Geschenk,
vielleicht das ungewöhnlichste, das ich bisher bekommen habe. Es war ein kleines unscheinbares Stück Holz, eher ein kleiner Ast, verpackt in eine bunt bedruckte Stoffhülle, aus dem Eine-Welt-Laden in Tübingen, fair gehandelt und direkt aus einer Baumschule aus dem Senegal (danke an Doro und Sascha!). Nach einigen Wirren entpuppte sich das ganze als ein Affenbrotbaum-Setzling, den man in Erde pflanzen soll, auf daß er wachse und gedeihe. In der Pflegeanleitung stand folgendes: "Umtopfen. Benötigt viel Licht. Großzügig gießen, aber zwischen dem Gießen erst die Erde trocknen lassen. Auch gießen, wenn der Affenbrotbaum seine Blätter verliert." Letzteres ließ mich dann schon wieder etwas kritisch werden, überzeugt, daß in meinem Pflanzentodesstreifen der kleine Baum seine Blätter - sofern er jemals welche kriegen sollte - sicherlich ziemlich schnell auf Nimmerwiedersehen abwerfen würde.
Pessimistisch suchte ich etwas Blumenerde, pflanzte den Baobab ein, goß ihn hin und wieder, ließ zwischendurch brav die Erde trocknen und wartete. Es tat sich - absolut nichts.


Anfang Juli beschloß ich, gnädigerweise noch bis Weihnachten zu warten, bevor ich nachschaute, ob er überhaupt Wurzeln bekommen hatte, um ihn im gegenteiligen Fall umgehend auf den Komposthaufen zu entsorgen.
Desweiteren las ich in der kleinen Begleitbroschüre: "Der Affenbrotbaum ist der Baum des langen Lebens und kann viele Generationen begleiten. In seinem Schatten trifft man sich, um miteinander zu reden. Sein hohes Alter macht ihn zum Zeitgenossen der Weisen und Propheten vergangener Zeiten. Die Kraft derer, heißt es, die unter dem Baum gesessen haben, geht auf alle folgenden Besucher über." Nun, dann würde meiner wohl der erste Baobab werden, der nach einem kurzen und völlig unspektakulären Dasein und ohne einen einzigen Schatten geworfen zu haben, das Zeitliche segnete.
Affenbrotbäume sind sowieso blöd, sogar gefährlich, der "Kleine Prinz" warnt wiederholt vor ihnen und ihrem - haha - schier unaufhaltsamen Wachstum.

"Auf dem Planeten des kleinen Prinzen gab es fürchterliche Samen... und das waren die Samen der Affenbrotbäume. [...] 'einen Affenbrotbaum kann man, wenn man ihn zu spät angeht, nie mehr loswerden. Er bemächtigt sich des ganzen Planeten. Zuweilen macht es ja wohl nichts aus, wenn man seine Arbeit auf später verschiebt. Aber wenn es sich um Affenbrotbäume handelt, führt das stets zur Katastrophe. Ich habe einen Planeten gekannt, den ein Faulpelz bewohnte. Er hatte drei Sträucher übersehen...' [...] Ich nehme nicht gerne den Tonfall eines Moralisten an. Aber die Gefährlichkeit der Affenbrotbäume ist so wenig bekannt, [...] daß ich für dieses eine Mal aus meiner Zurückhaltung heraustrete. Ich sage: Kinder, Achtung! Die Affenbrotbäume! Um meine Freunde auf eine Gefahr aufmerksam zu machen, die - unerkannt - ihnen wie mir seit langem droht, habe ich so viel an dieser Zeichnung gearbeitet."
Also, vielleicht doch gleich entsorgen, lieber früher als später?! Das ging dann auch nicht, schließlich war es ein Geburtstagsgeschenk...
Dann wurde es allerdings richtig warm, und zwei Wochen später glaubte ich,
ein paar kleine Blattknospen erkennen zu können (reines Wunschdenken, natürlich). Ein paar Tage später wurden tatsächlich ein paar kleine Blätter sichtbar, und ab dann ging es rapide aufwärts. Innerhalb von drei Tagen hatten sich Größe und Anzahl der Blätter verdoppelt, und vier Wochen später glich das Pflänzlein schon einem richtigen Baum. Mittlerweile bin ich begeistert, täglich aufs Neue, denn mein kleiner Baobab wächst und wächst und wächst und wächst, bekommt viele neue Blätter und fühlt sich richtig wohl. Vielleicht wäre dies ein guter Zeitpunkt, um das äußerst gefährliche Gewächs mitsamt Wurzeln auszureißen - aber leider ist mir der Kleine auch schon ziemlich ans Herz gewachsen...
Wenn mich jemand sucht, ich liege in seinem Schatten, lasse Kraft und Weisheit auf mich übergehen, verschiebe meine Arbeit auf später und warte auf die ersten Blüten (in etwa 8-10 Jahren sind sie da - sagt Wikipedia).

Wenn mich jemand sucht, ich liege in seinem Schatten, lasse Kraft und Weisheit auf mich übergehen, verschiebe meine Arbeit auf später und warte auf die ersten Blüten (in etwa 8-10 Jahren sind sie da - sagt Wikipedia).
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